Schrauben statt fahren

SimsonjaJetzt habe ich also mein erstes Motorrad, eine weinrote Simson S51. Anfangs „läuft“ alles super und das alte ostdeutsche Fräulein hält sich mit ihren Zipperlein noch zurück. Nach den ersten Fahrversuchen im Industriegebiet wird mein Radius immer grösser. Bald reicht es mir nicht mehr, zusammen mit Claudio zu unserem Übungsgelände zu fahren und dann eine zeitlang von allen Seiten um ihn herumzukurven. Also fährt Claudio mit der F650 vor und ich knattere mit der Simme hinterher. Wir sind sicher ein lustiger Anblick: Ein extrem langsam fahrendes großes Motorrad und ein kleines Mopped – hart an der Grenze zur (gefühlten) Überschallgeschwingigkeit. In dieser Konstellation manövriere ich die Simson durch die Hügel und Täler der Elfringhauser Schweiz und erlebe dabei auch ganz persönliche Höhen und Tiefen. An Steigungen verliert das alte Mokick dermaßen stark an Leistung, dass ich sie locker zu Fuss überholen könnte. Oft geht sie auch zwischendurch aus, lässt sich zum Glück aber noch immer wieder Ankicken. Einmal fahren wir sogar von Hattingen bis nach Essen-City und zurück, immerhin fast 30 Kilometer. Für Claudio ist es die Entdeckung der Langsamkeit, für mich eine wahrhafte Expedition. Und was die Teststrecke nicht alles hergibt: Kleine Kurven und grosse Kurven, bergauf und bergab, Baustellen, Anfahren am Berg, Kopfsteinpflaster, Strassenbahnschienen, dichter Verkehr und schließlich sogar die berüchtigte Landstrasse bei Heidhausen, auf der angeblich der Tod lauert. Ich bin total begeistert und kann nicht glauben, dass ich all diese Situationen wirklich so gut gemeistert habe! Als hätte sich die alte Simson durch diese Glanzleistung bei der Ausfahrt total verausgabt, fangen danach die Probleme so richtig an. Ein Defektchen löst das andere ab. Das Dauerproblem mit der defekten Lichtmaschine (Frontlicht und Blinker funktionieren nicht oder nur sehr unzuverlässig) bekommt die Werkstatt auch nach mehreren Anläufen nicht in den Griff. Der Mechaniker hat jetzt immer so einen genervten Blick, wenn ich das Mokick mal wieder auf seinen Hof schiebe. Dann häufen sich die Situationen, in denen die Simson beim Fahren plötzlich total an Leistung verliert, der Motor sehr unruhig läuft und die Maschine immer wieder ausgeht. Ankicken, ein Stück fahren, dann wieder ankicken – so macht das Motorradfahren keinen Spass. Vielleicht war es doch nicht so eine gute Idee, mir als Fahranfängerin ein so störanfälliges Gefährt anzuvertrauen? In einem Onlineartikel las ich, dass das ideale Anfängermotorrad gutmütig und unkompliziert sein sollte. Stattdessen stelle ich mir vor jeder Fahrt die bange Frage: Springt die Simson diesmal an oder nicht, geht sie zwischendurch wieder aus? Gutmütig und unkompliziert geht anders. Die Mechaniker der angeblich auch auf Oldtimer spezialisierten Werkstatt sind ratlos und versuchen der Ursache des Problems mit der „Try and Error“ Methode auf die Schliche zu kommen: Die Batterie wird ausgetauscht, der Vergaser kontrolliert, die Zündkerze geprüft, ein neuer Kondensator eingebaut etc….Aber es hilft nichts: Jedesmal wenn ich mit der Simson unterwegs bin, verweigert sie nach einiger Zeit ihren Dienst. Ich bin total frustriert und beschliesse, ab sofort keinen Cent mehr in die Werkstatt zu stecken. Also verwandeln wir unseren Hinterhof in eine kleine Reperaturstätte und knöpfen uns den Vergaser vor: Auseinanderbauen, reinigen, zusammenbauen und richtig einstellen. Währenddessen läuft auf dem IPad am Boden ein sehr gutes Tutorial-Video, in dem jeder einzelne Schritt genau erklärt wird. Überhaupt gibt es für Simsonfreunde im Netz mannigfaltige Infos und Tipps in Blogs oder YouTubeFilmchen. Doch die ganze Mühe zahlt sich nicht aus. Während um uns herum die milde Frühlingsluft erfüllt ist vom Klang vorbeiziehender Motorräder, hocken wir ratlos um die Simson herum. Bechii, ein Podcasthörer mit langjähriger Simsonerfahrung, tippt auf das gefürchtete „Wärmeproblem“, gegen dass kein richtiges Kraut gewachsen zu sein scheint. Wenn der Motor kalt ist, springt das Mokick problemlos an, doch sobald der Motor warmgelaufen ist, geht die Maschine während der Fahrt immer wieder aus. Was den Einfallsreichtum in punkto Störungen angeht, kann der Simson so schnell kein anderes Motorrad das Wasser reichen. Frustiert frage ich mich, wie es jetzt weitergehen soll???Sonja schraubt

4 Antworten auf „Schrauben statt fahren“

  1. Hi. Ich würde ein Voltmeter anschließen und beobachten ob es eine Veränderung gibt wenn sie aus geht. Ich hatte den Fall schon mal das die Lima bei Temperatur einen Kurzschluss bekam was dann auch den Zündfunken verhinderte.

  2. Hallo Thomas, ich muss zugeben, dass ich momentan überhaupt keine Lust mehr habe, mich mit der Simson auseinanderzusetzen. Schon seit Monaten versuchen wir das Problem zu beheben und am Ende steht immer wieder dasselbe Resultat: Sie funktioniert nicht. Ich habe ehrlich gesagt gerade keine Hoffnung mehr, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird. Vielen Dank aber trotzdem für dein Kommentar 🙂 Sonja

  3. Wenn man gut recherchiert, findet man gegen dieses “Wärmeproblem“ zwei Lösungen. Bei der alten Unterbrecherzündung wechselt man den Kondensator oder man tauscht die Anlage gegen eine elektronische.
    Technischen Unwissen nicht immer auf die Technik schieben 😉

    1. Hallo Clemens,
      wenn man gut recherchiert, findet man raus, dass ich die Simson vor gut einem Jahr verkauft habe, mittlerweile meinen Führerschein besitze und stolze Besitzerin einer Yamaha SR 125 bin – ohne „Wärmeproblem“. Und wenn du meinen Beitrag gut gelesen hast wirst du bemerkt haben, dass ich durchaus ernsthaft bemüht war, mein technisches Unwissen zu verringern. Was mir durchaus gelungen ist. Aber nachdem sich monatelang die Probleme die Klinke in die Hand gedrückt haben, hatte ich einfach keinen Bock mehr. Schließlich wollte ich Fahren lernen und kein Experte auf dem Fachgebiet Simsonkunde werden. Also: „Fahren, statt Schrauben“.

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