Die russischen Strassen sind eine heftige Erfahrung. Dass dieses Land riesig und die Wege weit sind wusste ich schon vorher, aber die Fahrt Richtung St. Petersburg habe ich mir dann doch einen wenig einfacher vorgestellt…
Wir wussten, dass es 50 km suedlich vom ehemaligen Leningrad einen Campingplatz geben soll. Die Landstrassen dorthin sind mit schlecht geflickten Schlagloechern uebersaet, es wird dunkel, stockdunkel. Zwischendurch Gegenverkehr, so dass ich immer wieder abblenden muss. Und die Fahrt geht durch völlig menschenleere Gegenden, nur Tannen und Birkenwaelder. Hin- und wieder geht die Strasse durch ein kleine Doerfer, einfache Holzhäuser an unasphaltierten Wegen. Nach einer gefuehlten Ewigkeit und den Gedanken „Was ist, wenn wir hier eine Panne haben?“ finden wir den Campingplatz. Es ist eine Ansammlung von Blechcontainern, die zu kleinen Apartments umgebaut wurden, neben einem Schrottplatz zwischen Autobahn und Eisenbahn.
Eine alte Dame, die rauchend in der Ecke steht, bittet mich in den Container, der als Rezeption dient. Alles was ich bisher in Sowjet-Museen gesehen habe ist hier Realität: Presspan und Holzimitat, vergilbte Tapeten, Urkunden an der Wand und die Dame zeigt mir ein Formular, natuerlich alles auf kyrillisch. Mit einer Zeichnung erklaere ich, dass wir Zelten wollen. Sie versteht und deutet an, wir können unser Zelt auf einem kleinen Gruenstreifen neben den Containern aufbauen. Ein weiterer Container ist die Toilette. Nach einer Nacht an diesem sehr skurrilen Ort machen wir uns auf den Weg nach St. Petersburg.
Diesmal haben wir die Adressen von Hostels, die wir in der Grosstadt suchen, in der kaum ein Mensch Englisch spricht. Nachdem wir mehrmals vor verschlossenen Tueren und Jahrhundertwende – Hinterhoefen gelandet sind, geben wir die Suche auf und nehmen ein stinknormales Hotelzimmer. Nach einer wohltuenden Dusche erkunden wir das Zentrum, in der sich eine Touristenattraktion an die nächste reiht. Wir finden die St. Petrikirche, ein evangelisches Gotteshaus, das in der Zeit des Kommunismus zu einem Schwimmbad umgebaut wurde. Es gibt noch Fotos, von einem Becken mit Zehnmeterbrett in zwischen Säulen im Kirchenschiff. Mittlerweile hat die Gemeinde das Gebäude wieder zurueck bekommen und darf es wieder fuer Gottesdienste nutzen. Doch die fuer Sportstätten typischen Sitzbänke an den Seiten sind geblieben.
Richtig spannend wird es aber, als uns eine freunliche Mitarbeiterin in die Kellergewölbe fuehrt. Dort laufen wir ueber den ehemaligen Schwimmbeckenboden. Und darunter sind weitere Gänge und Räume, die Kuenstler nach der Wende bemalt haben. Echte Untergrund – Kunst. Schade, dass wir diese so spannende Stadt am nächsten Tag wieder Richtung Finnland verlassen muessen. Wieder ueber russische Strassen zur die Grenze, wieder Papierkram und Wartezeit, aber es hat sich gelohnt. Jetzt kann ich die Faszination anderer Motorradreisender fuer Russland etwas besser verstehen.