Kenia

Im Sommer 2018 unternahmen Sonja und ich eine Moped-Reise durch Kenia und jetzt komme ich endlich mal dazu, unser Abenteuer in Ostafrika aufzuschreiben:

Den ersten Kulturschock bekommen wir schon bei der Ankunft in Kenia. In der Millionenstadt Nairobi bricht der Verkehr regelmäßig zusammen. Zu viele Fahrzeuge kämpfen auf zu schmalen Straßen um jeden Zentimeter. Wir sind erstmal unterwegs in einem landestypischen Bus, einem „Matatu“. Diese klapprigen Kisten sind rollende Diskotheken, knallbunt angemalt, laute Musik und immer voll. Damit wir uns in diesem Chaos zurechtfinden, begleitet uns unser Freund Adam. In Deutschland lernten wir vor einigen Jahren den kenianischen Künstler Adam Masava kennen. Wir versprachen damals, ihn mal in seiner Heimatstadt Nairobi zu besuchen. Jetzt ist es soweit. Erschöpft vom langen Flug freuen wir uns, Adam wieder zu sehen. Er organisiert uns eine kleine Pension in der Nähe seines Ateliers, auf der quirligen Hauptstraße im Stadtteil South B.

Adam, Sonja, Claudio

Der 30jährige Maler stammt aus dem Mukuru Slum, einem Armenviertel im Süden Nairobis. Mittlerweile kann er mit der Kunst sich, seine Frau Mary und seinen Sohn Faby ernähren. Die Motive für seine Bilder sind das Leben im Slum. Mit seiner Kunst möchte Adam zeigen, dass es auch hier gute Menschen gibt, die hart arbeiten und Respekt verdienen. Er malt Frauen, die Lebensmittel am Straßenrand verkaufen, Männer, auf deren Fahrrädern meterhoch Kisten gestapelt sind und Kinder, die zwischen den verrosteten Blechhäusern spielen.

Kinder im Atelier

Zusammen mit seinen Freunden gibt Adam auch Kunstunterricht für Kinder und Jugendliche im Slum. Er will jungen Menschen die Möglichkeit geben, kreativ zu werden und mit Kunst Geld zu verdienen.

Es macht uns richtig Spaß, zusammen mit Adam und seinen Freunden durch Nairobi zu ziehen. Sie zeigen uns, wie sie leben, wo sie sich treffen und was sie Essen. Wir streifen über die Hauptstraße, in der sich ein Geschäft an das nächste reiht. Friseure, Imbissbuden, Wäscherei, Schlachter, Telefonanbieter und kleine Restaurants. Auf dem Bürgersteig davor, sitzen Straßenhändler. Sie präsentieren auf wackeligen Holztischen Bananen, Tomaten, Apfelsinen, Werkzeug, Kleidung, Batterien, einfach alles, was man fürs Leben braucht. Wir müssen aufpassen, wohin wir treten und natürlich schieben sich auch andere Menschen durch das Gewusel. Der appetitliche Duft aus kleinen Garküchen mischt sich mit dem Gestank von Autoabgasen. Alle Nase lang bleiben wir stehen, weil Adam wieder einen Freund oder eine Bekannte trifft.

Dancan

Der 18 jährige Dancan ist einer von Adams Schülern. Er lädt uns ein, sein Zuhause zu besuchen. Etwas unsicher folgen wir ihm durch den Slum namens Mukuru. Zwischen kleinen bunten Wellblechbuden ziehen sich superenge Gassen. Wir überqueren mehrere kleine stinkende Bäche, in denen sich der Müll sammelt. Das kleine Haus, in dem Dancan wohnt besteht aus Holz, Zement und Blech. Eigentlich ist es nur ein Zimmer in dem der Wohn- und Schlafbereich durch einen Vorhang getrennt ist. Auf einem Gaskocher in der Ecke bereitet uns Dancan ein traditionelles kenianisches Gericht aus Gemüse, Fleisch und Ugali einem pappigen Maisbrei.

Neben der Kunst ist Fußball die große Leidenschaft unserer Freunde in Kenia. Wir sind Zeugen, wie Adams Heimatclub „South B United“ im Auswärtsspiel gegen „Westlands“ spielt. Die Mannschaften kämpfen auf dem staubigen Lehmfeld um den Ball und gewinnen vor hunderten Zuschauern klar mit 2 zu 1. Eigentlich können wir nicht viel mit Fußball anfangen, doch als wir als Gäste im Mannschaftsbus mitfahren dürfen, bleibt uns nichts anderes übrig, als begeistert mitzufeiern.

Fish Restaurant

Der chaotische Straßenverkehr in Kenias Hauptstadt ist erschreckend und faszinierend zugleich. Es scheint, als ob jeder fährt, wie er will und doch klappt es irgendwie. Das beste Transportmittel ist eindeutig das Motorrad. Auf zwei Rädern kommt man durch den Stau in der Großstadt und durch die kaputten Straßen auf dem Land. Eine junge Frau, die ebenfalls leidenschaftlich gerne Motorrad fährt ist Grace Mwari.

Grace Sonja

Mit Grace führten wir ein Interview, das ihr hier als Podcast nachhören könnt:

https://pegasoreise.de/pp106-grace-mwari/

Grace hat uns überzeugt: Kenia wollen wir auch auf zwei Rädern erkunden. In Nairobi organisieren wir unsere Mopeds. Ich fahre ein sogenanntes „Boda-Boda“, eine kleine 150 Kubik-Maschine, die als Motorradtaxi zum Straßenbild in Kenia gehört.

Aber das ultimative Abenteuergefährt sucht Sonja sich aus. Es ist genau das Richtige für unser gewagtes Vorhaben, bestens gerüstet um sandige Wege und üble Offroadstrecken zu überwinden: Ein Automatikroller mit winzigen Reifen und einem 110 Kubik – Motor.

Kenia Mopeds

Unsere Gepäcktaschen mit Zelt, Schlafsäcken und Isomatten schnallen wir auf die Mopeds und los geht’s! Über den Highway 109 fahren wir Richtung Süden. Diese zweispurige Asphaltstraße ist die Hauptverbindung zwischen Nairobi und der Hafenstadt Mombasa. Auf ihr knattern völlig überladene Laster, Autos versuchen ständig sie zu überholen und dazwischen fahren die Matatu-Busse immer wieder spontan links an den Straßenrand, um Passagiere aussteigen zu lassen und neue einzusammeln.

Uns ist schon mulmig zumute, denn wir lassen unsere Freunde hinter uns und begeben uns in Ungewisse. Wir sind froh, als wir endlich den überfüllten Highway verlassen und Richtung Südosten ins bergige Hinterland fahren. Hier ist es ruhiger, es sind deutlich weniger Autos auf den Straßen. Bald endet der Asphalt und wir sind auf staubigen Lehm- und Schotterpisten unterwegs. Rechts und links liegen kleine Dörfer, die oft nur aus ein paar hundert einstöckigen Häusern bestehen. Am Rand der Straßen verkaufen die Menschen Gemüse und Obst, sie breiten auf kleinen Feuern Streetfood zu und in Bretterbuden gibt es Getränke und Benzin.

In der Nähe von Nunguni liegt das kleine Dorf Kitaingo. Hier war ich schon mal vor 16 Jahren und wohnte ein paar Wochen bei dem Lehrerpaar Josephine und Johnstone Mutungi. Ich freue mich sehr darauf, die beiden nach so langer Zeit wieder zu sehen. Aber erst einmal müssen wir dieses Dorf finden, in einer Gegend in der es weder Straßenschilder noch Asphalt gibt. Über enge Feldwege hoppeln wir die steilen Hügel rauf und runter und fragen immer wieder Einheimische nach dem Weg. Viele Leute kennen die Mutungis hier, aber sie schicken uns mal in diese und dann in eine andere Richtung. Endlich finden wir die „Springs of Hope Akademie“. Nachdem die Mutungis vor einigen Jahren in Pension gingen, gründeten sie diese private Grundschule. Wir werden hier schon erwartet. In einem Klassenzimmer haben sich über hundert Kinder in roten Schuluniformen versammelt. Sie heißen uns herzlich Willkommen.

Wir bleiben ein paar Tage in Kitaingo und lernen den Alltag kennen. Diese Schule ist ein großartiges Projekt der Mutungis. Hier werden Kinder von der ersten bis zur achten Klasse unterrichtet. Finanziert wird sie durch die Beiträge der Eltern, die ihren Kindern eine bessere Bildung als an einer staatlichen Schule gönnen wollen. Doch in jeder Klasse gibt es 2-3 Kinder, deren Eltern sich das nicht leisten können. Sie werden durch die Beiträge der anderen mitfinanziert und so lernen Kinder aus unterschiedlich betuchten Familien zusammen in einer Schule.

Nach ein paar schönen Tagen im Dorf knattern wir weiter Richtung Südwesten. Hier gibt es kaum noch Asphaltstraße. Dafür kleine Dörfer, niedrige Bäume und rotbraune Erde, die als Staub in alle Ritzen unserer Mopeds und der Kleidung dringt. Kurz vor der Grenze zu Tansania finden wir das Amboselli Eco Camp, einen Campingplatz von dem aus wir aus den Kilimanjaro sehen können. Hier bauen wir zum ersten mal unser Zelt auf, rollen die Isomatten aus und schlüpfen in unsere Schlafsäcke.

Aus angeblich gut informierten Kreisen hörten wir, dass man in den nahegelegenen Tsavo Nationalpark auch mit Motorrädern fahren kann. Das wollen wir ausprobieren und machen uns am nächsten Tag auf den Weg. Doch schon die 60km Offroad-Piste bis zum Park haben es in sich. Eine Mischung aus Sand und Wellblech macht uns zu schaffen.

Nach vier Stunden kommen wir endlich am Eingang des Tsavo Nationalparks an. Aber der Schlagbaum bleibt für uns geschlossen. Die Ranger erklären uns freundlich aber bestimmt, dass man in den Nationalpark nur mit Autos fahren darf und nicht mit Motorrrädern. Wegen den wilden Tieren. Nach einigen Diskussionen sehen wir es ein. Uns bleibt nichts anderes übrig, als umzukehren und die 60 Kilometer Offroad Piste zurück zu fahren.

Kurz vor Sonnenuntergang bauen wir unser Zelt wieder am Amboselli Eco Camp auf. Als wir unsere Geschichte dem Platzwart erzählen, hat er eine Idee. Er telefoniert kurz, und nach wenigen Minuten hat er für uns einen Fahrer organisiert, der uns am nächsten Tag durch den Amboselli Nationalpark fährt – Großartig!

Der Fahrer Jacob holt uns am nächsten Morgen mit seinem klapprigen Landrover ab. Es macht riesigen Spaß mit dieser alten Kiste durch den Nationalpark zu fahren. Wir sehen Giraffen, Antilopen, Zebras und Elefanten und sind begeistert.

Auf dem Eco Camp treffen wir auch die Frauen der örtlichen Masai Community. Eigentlich wollten wir uns nur kurz von ihnen verabschieden, aber so einfach ist es nicht. Sie können kein Englisch, wir kein Masai, aber mit Händen und Füßen gelingt die Kommunikation. Und wenn wir schon nicht miteinander sprechen können, dann wenigstens Singen. Sie zeigen uns noch einen Masai Tanz bevor wir das Zelt abbauen und wieder auf die Mopeds steigen.

Über staubige Straßen, Sand und Lehm geht es Richtung Norden zum Lake Naivasha. Wir bauen unser Zelt direkt am Ufer dieses Süsswasersees auf. Hier in der Nähe befindet sich ein kleiner Nationalpark, in den man ganz legal auf zwei Rädern fahren darf.

Mit zwei Fahrrädern erkunden wir den Hells Gate Park, es tut gut, sich auch mal richtig viel körperlich zu bewegen. Allerdings kommen wir bei Temperaturen um die 30 Grad schnell ins Schwitzen. Nach drei Tagen am Lake Naivasha machen wir uns wieder auf den Weg nach Nairobi.

Ein Ziel gibt es noch in Kenia, das wir unbedingt erreichen wollen: Die Masai Mara. Das riesige Naturschutzgebiet gehört zur Serengeti, 300 km östlich von Nairobi. Für diesen Trip mieten wir uns einen kleinen Geländewagen, denn auch dort dürfen wir leider nicht mit unseren Mopeds fahren. Also packen wir alles in den Kofferraum und fahren los. Tatsächlich ist es gut mit einem Allradantrieb im Masai Mara unterwegs zu sein, denn auf dem Weg gibt es tiefe Löcher, Flussdurchfahrten und weggebrochene Pisten. Auf dem Weg sehen wir immer wieder Angehörigen des Masai Volkes, die mit ihren Rinderherden unterwegs sind. In diesem kargen Savannenland sind die Masai immer auf der Suche nach Wasserstellen und Futter für die Tiere, die ihr wichtigster Besitz sind. Mehrmals verfahren wir uns, denn es gibt viele Pisten im Gelände, aber kaum Orientierungspunkte oder Richtungsweiser. Wir sind heilfroh als wir im Sonnenuntergang im Loyk Mara Camp ankommen.

Morgens um fünf Uhr, also eigentlich noch mitten in der Nacht starten wir mit Moris zu einer Tiersafari. Der junge Masai kennt sich im Nationalpark bestens aus und fährt uns zu den Stellen, wo man die wilden Tiere sehen kann. Wir kurven quer durchs Gelände, bis wir auf einem Hügel die ersten Gnus sehen und hören. Hunderte, nein tausende Gnus sind im Sonnenaufgang unterwegs.

Zwischen den Bäumen am Rande eines Flusses läuft ein Löwe gemächlich durch die Landschaft. Elefanten reißen zum Frühstück dicke Äste von den Bäume, Giraffen stehen in der Gegend reglos, fast meditativ und am Ufer trinken Zebras aus dem Fluss. Faszinierend!

Die Zeit in Kenia geht viel zu schnell vorbei. Wir müssen zurück nach Nairobi, in zwei Tagen geht unser Flug nach Deutschland. Wir kämpfen uns wieder stundenlang durchs Gelände, bis wir gegen Nachmittag endlich auf einen Asphaltierten Highway Richtung Hauptstadt treffen. Die ganzen Offroadstrecken im Masai Mara, die Sandpisten und Flussdurchfahrten hat unser Wagen problemlos weggesteckt. Aber jetzt, auf der Hälfte der Strecke geht der Wagen mitten auf der Straße aus. Nichts geht mehr. Unsere eigenen technischen Kenntnisse kommen an ihre Grenzen und so rufen wir den Autovermieter in Nairobi an. Der will vorbeikommen, doch das wird mindestens noch fünf Stunden dauern. Keine gute Aussicht, kurz vor Sonnenuntergang, mitten im Nirgendwo.

Als wir so am Rand der Fahrbahn stehen, hält ein Auto neben uns. Die Fahrerin mit Kopftuch kurbelt das Fenster runter und fragt uns, ob wir Hilfe brauchen. Wir erklären, unsere Lage und sie steigt aus. Die resolute Masai Frau namens Rahab erklärt, dass es für Touristen gefährlich sei, bei Sonnenuntergang hier am Straßenrand zu stehen. Sie sagt, sie komme aus einer Stadt in der Nähe und kenne dort einen Autoschrauber. Rahab telefoniert und kurze Zeit später kommt tatsächlich ein Mechaniker vorbei. Er guckt sich unser Auto an, schraubt herum, versucht dies und das, aber der Wagen lässt sich nicht mehr starten. Keine Chance. Die Karre muss in eine Werkstatt. Mittlerweile ist die Sonne unter gegangen und es ist stockdunkel. Rahab lässt nicht locker, sie sagt, sie bleibt bei uns, bis der Autovermieter aus Nairobi hier ist. Wir sind heilfroh, denn in der Dunkelheit brettern LKWs nur knapp an unserem Wagen vorbei und die Scheinwerfer von Rahabs Wagen spenden uns Licht.

Als der Autovermieter dann endlich angekommen ist, wir den kaputten Wagen noch umständlich mit einem viel zu dünnen Seil bis zur nächsten Polizeistation abgeschleppt haben ist es schon mitten in der Nacht. Wir sind völlig fertig und Rahab schlägt vor, dass wir heute nicht mehr nach Nairobi fahren, sondern in ihrem Haus übernachten. Das Angebot nehmen wir gerne an.

Rahab wohnt in einem großzügigen Bungalow, zusammen mit ihrem fünfjährigen Sohn und Albert, einem Hausangestellten. Wir essen noch zu Abend und die smpathische Mittdreissigerin erzählt aus ihrem Leben. Beim gemütlichen Bier erklärt uns die alleinerziehende Muslimin noch einiges über die Masai Kultur.

Rahab erzählt, wie sie sich für die Rechte der Masai – Frauen engagiert. Es sind gerade die Frauen, die am meisten kämpfen müssen. Sie setzt sich dafür ein, dass Frauen Land besitzen dürfen oder es erben, wenn ihr Ehemann stirbt. Sie engagiert sich auch gegen die Beschneidung von Mädchen und für die Rechte von jungen Müttern. Es wird noch ein langer Abend mit interessanten Gesprächen.

Wir verabschieden uns herzlich von Rahab und fahren dann mit einem Ersatzwagen zurück nach Nairobi. Es wird Zeit, denn unsere Reise geht leider zu Ende. Zum Schluss treffen wir noch einmal unsere Freunde in Nairobi. Von dieser Reise wird uns vor allem die herzliche Gastfreundschaft und die Lebensfreude der Kenianer in Erinnerung bleiben.

Diese Erinnerungen verarbeiten wir noch weiter in einer Hörgeschichte und einem Live – Vortrag. Einen kleinen Vorgeschmack bekommt ihr in diesem Video:

Eine Antwort auf „Kenia“

  1. Toll, Eurer Reisebericht und das Video! Freue mich auf den podcast. Auch weil man selbst nicht alle Reisen Eurer Podcasts machen kann, so kann man ein wenig teilhaben, Gruss Jürgen S.

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